Die Suche nach dem guten Buch: Abstürze nicht ausgeschlossen. Foto: cottonbro auf pexels.com

Der Sender, die Freien und die Literatur

Die freien Rezensent*innen, die einen offenen Brief an die WDR-Verantwortlichen geschrieben hatten wegen ihrer Sorgen um den Wegfall der Buchkritiken in der Sendung „Mosaik“, bekamen am folgenden Tag, nachdem ihre Sorgen öffentlich geworden waren, elektronische Post vom WDR 3-Wellenchef. Der meinte, in der vorangegangenen Mail eines Redakteurs sei vieles falsch dargestellt worden, deswegen sei es ihm ein Anliegen „diese Punkte klar zu ziehen“:

Niemand hat die Absicht…, „Literatur im Gesamtprogramm von WDR 3 zu kürzen“. Statt der wochentäglichen Buchkritik am Morgen soll sich die Beschäftigung mit Literatur in Zukunft auf unterschiedliche Sendeplätze und wechselnde Formate verteilen. „Da wir die Welle als Gesamtstrecke betrachten, bedeutet dies nicht, dass die Literatur grundsätzlich einen geringeren Umfang aufweisen wird.“ Hätte er das Wort „grundsätzlich“ weggeglassen, wäre das eine klare Aussage.

Ihre Sorgen will der Wellenchef den freien Autor*innen nehmen und schreibt am Schluss, dass er sich freuen würde, „wenn Sie WDR 3 auch weiterhin mit viel spannendem Input, kreativen Umsetzungsformen und selbstverständlich auch Buchrezensionen bei seiner Weiterentwicklung als aktuelles Kulturradio in und für NRW begleiten“. Abgesehn davon, dass Journalisten, die Programminhalte liefern, in der Wahrnehmung des Wellenchefs das Programm lediglich „begleiten“, bleibt ein zwiespältiger Eindruck: Man möchte die Beruhigung gerne glauben, aber von den freien Rezensent*innen hat sich ja grad ihr Ansprechpartner in der Redaktion verabschiedet. Wenn der Wellenchef sie als Programmgestalter behalten wollte, müsste er dann nicht schreiben, wo und wie sie hinfort angesichts der neuen Formate ihre Vorschläge einbringen können? Das aber unterblieb.

Und noch was: Die Mail vom Wellenchef hatte denselben offenen Verteiler wie die Mail vom Redakteur, der einige Tage zuvor über das Ende der Buchkritik am Morgen informiert hatte. Über diesen Verteiler waren in der Folge die Absprachen der Autor*innen zu dem offenen Protestbrief gelaufen. Dass der Wellenchef nun diesen Verteiler nutzte, hatte vielleicht, im Widerspruch zu seinen wohlwollenden Worten, auf manche Empfänger doch eine leicht drohende Wirkung. Vielleicht wusste er, was er tat.